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UC-NRLF
11111.1:
iiliil
CAMOES,
ein philosophischer Dichter.
Dargestellt
zieicli seiziezi Xj-va.sieidLezi
von
Phil. Dr. Hermann y. Suttner-Erenwiii,
k. k. Professor i. P., Ritter des kais. osterr. Franz Josef-Ordens,
Gomthur des kon. span. Ordens Isabella's II., der Katholischen,
immatrikulirtem Hitglied der philosoph. Fakultät der k. k. üni-
rersitäten zu Wien und Prag, emeritirtem Decan etc. etc.
^^,
W^'
Wien, 1883.
Druck und Verlag von Ludwig Mayer
(Rudolf Brzezowskjr), IV. Hauptstrasse 11.
Den durohlaachtigsten
HerreD Erzherzogen
LEOPOLD ui nm 8ALTAT0K
von Toskana
ehrfurchtsvollst gewidmet
der Verfasser.
443571
Das Studium der deutschen Sprache
und Literatur, sowie der Geschichte, denen
sich Ihre kaiserlichen Hoheiten mit eben so
viel Liebe und anerkennenswerthem Eifer
einerseits, als seltenem Erfolge andererseits
widmeten, und deren Leitung mir während
der letzten Jahre allerhöchsten Ortes anver-
traut worden, hat in mir den Gedanken rege
gemacht, die Ergebnisse meiner langjährigen
romanischen Studien während des ersten
Jahres der Ruhe von meiner öffentlichen
Lehrthätigkeit zu sammeln, auf diese Art
einen kleinen Beitrag zur Kenntnis der ro-
manischen Literatur zu liefern und den
kaiserlichen Hoheiten zu widmen.
Möge diese Arbeit den Beweis von dem
unschätzbaren Genuss abgeben, den mir
diese dem sprachwissenschaftlichen und
historischen Studium gewidmeten Unter-
richtsstunden gewährten, zugleich aber dem
lebhaften Wunsch Ausdruck verleihen, Ihre
kaiserlichen Hoheiten mögen sich beim
Anblicke dieses Buches der — bei im-
merwährend angestrebter Vereinigung des
sämmtlichen Wissensstoffes mit unveränder-
hchen praktischen Grundsätzen — klug und
heiter zugebrachter Jugendjahre stets fro-
hen Herzens erinnern.
Geruhen kaiserliche Hoheiten, bei Ge-
legenheit dieser Widmung den Ausdruck
meiner besonderen Verehrung zu geneh-
migen.
WIEN, Juni 1883.
Phil. Dr. Hermann yod Suttner-Erenwin.
Uie erste Veröffentlichung dieser Schrift
gieng von der zur besonderen Pflege der
klassischen, romanischen und anderer leben-
der Sprachen berufenen Gymnasiallehranstalt
der k. k. Theresianischen Akademie als Pro-
gramm des Jahres 1870 aus. Jahre flohen
dahin, während deren sich der Wunsch Einiger
meiner ehemaligen Schüler und Freunde
romanischer Sprachstudien entwickelte und
zu äussern begann, den ihnen am Gymnasium
lieb gewordenen Dichter Camoens genauer
kennen zu lernen und den Werth, den die
Dichtung desselben für einen ernsten sich
nicht sowohl mit bloss theoretischen , als
vielmehr mit praktischen Untersuchungen
giltiger Probleme desLebens beschäftigenden
Denker immer bewahren werden, gründlicher
1
— 2 —
ZU schätzen. Diesem Wunsche wollte ich
willfahren, — und so erschien — wegen
einer nur sehr beschränkten Anzahl von
vorräthigen Exemplaren der ersten Auflage
— bei nicht geänderter principieller -Be-
handlungsweise des vorliegenden Stoffes
nach fast einem Decennium ganz unge-
ändert „Camoens, ein philosophischer
Dichter, 2, Auflage." Was wurde dadurch er-
reicht ? — Ein nochmaliger klarer Blick auf
die hohen Ziele, welche die Träger der
Gultur der Menschheit des 16. Jahrhunderts
mit Kraft und Ausdauer angestrebt, und die
ungeachtet alles Wechsels der Individuen
und aller zeitlichen und räumlichen Be-
ziehungen immer dieselben letzten Ziele der
Sterblichen bleiben, zugleich wurde eine
klarere Einsicht in die einzelnen Maximen,
die Camoens beherrschten , gewonnen,
und es konnte dadurch kräftiges, sitt-
liches Wollen, dieses wichtigste Moment
consequenter Charakterbildung , gefördert
werden. Camoens erscheint auf Grundlage
seiner in den Lusiaden über die Lebens-
— 8 —
Verhältnisse ausgesprochenen Reflexionen,
die einzeln, für sich allein, eben so un-
wirksam, als unbestimmt und schwankend
bleiben, durch die Vereinigung derselben
zu einem giltigen, dem Wirklichen ent-
sprechenden Systeme als wahrhaft philo-
sophischer Dichter.
I.
Einem Manne, wie Camoens, der seinem
äusseren Leben nach ein Kriegsmann war,
lag der Begriff der Ehre vor allem andern
nahe, näher selbst als alle andern ethischen
Begriffe von Tugend, Pflicht und Gut; er
lebte ja unter Verhältnissen einer Zeit und
in Kreisen einer Gesellschaft, deren Aufgabe
es war, Ehre zu suchen, Ehre zu vertheidigen,
Ehre zu bewahren. Ihm, dem Ritter lag es
vor allem ob, ein Mann von Ehre zu sein
und zubleiben. Diese Vorstellung des Mannes
von Ehre konnte sich aus innern, weniger
aus äusseren Gründen der Natur eines den
1*
— 4 —
Werth eines Charakters anerkennenden
Urtheils zum Ideal erhöhen und wir sehen
Camoens unverwandten Auges diesem Ideale
nachstreben. Wenn wir daher an ihm Be-
harriichkeit in seinen Vorsätzen, Conse-
quenz in seinen Handlungen und eine un-
gewöhnliche Thatkraft bewundern müssen,
die jeden noch so leise auftretenden Ver-
dacht von Feigheit vollkommen vernichtete,
wenn wir in ihm einen Mann sehen, von
dem die Worte in ihrem wahrsten Sinne
gelten: Ecce spectaculum Deo dignum vir
magnus cum mala fortuna compositus, ohne
Neid und Schadenfreude, unbescholten in
Hinsicht auf Rechtsverletzungen und Wehe-
thaten aller Art, so haben wir das wohl-
getroflfene Bild eines Mannes vor uns, der
nach Herbart's Ideenlehre ein Mann von
Ehre genannt zu werden verdient. — Wie
weit Ehre von Rang begrifflich und sachlich
verschieden sei, lehrt die Wirklichkeit auf
eine unwiderlegliche Weise durch Camoen's
Leben.
— 5 —
II.
Jene zum Ideal erhobene Vorstellung
von Ehre aber, diese Ehrenhaftigkeit und
Anerkennung des persönlichen Werthes von
Seite der Umgebung, — wie schwer werden
sie errungen ! Von welchen oft unberechen-
baren, oft scheinbar kleinlichen Bedingungen
hängt dies ab ! — Der Einzelne, der Lob
zu verdienen, einen guten Namen und Ruf,
wohl gar wahren Ruhm zu erwerben sucht,
wird durch das beseligende Gefühl des
Edlen, das er mit reinster Seele erfasst,
mächtig geleitet ; er unterzieht sich Ent-
behrungen, Beschwerden und Entsagungen,
überzeugt, dass ein grosses Gut nur mit
grossen Mühen sich erreichen lasse; das
GeHngen stärkt hierbei seinen Muth, das
Misslingen wird ihm ein Beweggrund er-
neuerter Anstrengungen ; Furcht und Hoff-
nung wechseln in seiner Brust. Wie wahr
zeichnet dies Camoens mit den Worten :
— ~ Nenhum grande bem se alcanqa
Sem grandes oppressöes, e em ludo o feito
— 6 —
Segue o lemor os passos da esperanqa
Que em suor vive sempre de seu pe^to. VIII. 66.
Und doch wie unsicher ist der Erfolg ! Das
Vollbringen liegt nicht in des Menschen
Hand! Was er wollte, tritt den ihn um-
gebenden Gesellschaftskreisen nicht sichtlich
entgegen ; er kann verkannt, er kann ge-
schmäht werden. Die Unsicherheit des
menschlichen Lebensganges, des Gelingens
edler Absichten und der Fortdauer des
sittlichen Fortschrittes wird nur um so
lebendiger gefühlt, je mehr den Muth eines
Helden Gefahren umgeben, von denen der
gewöhnliche Mensch oft keine Ahnung hat,
Gefahren, die selbst grosser Menschen hellen
Blick zu trüben vermögen. Gefahren, die
allen durch das Leben gebotenen Stützen,
worauf der Mensch zu vertrauen berechtigt
wäre, Kraft und Festigkeit rauben. Ist es
dann zu verwundern, wenn einer edlen
Seele sich der Gedanke, nur Trauer habe
Bestand, bemächtigt?
V. 80. pezar tera firmeza,
Mas o bem logo muda a natureza.
— 7 —
Ist es zu verwufidern, wenn der Mensch
dann im Gefühle seiner Ohnmacht nach
Rettung sucht ? Ist es zu verwundern, wenn
Camoens diesem seinem Gefühle 1. 105 und
106 Ausdruck verleiht ?
Oh grandes e gravissimos perigos!
Oh caminho de vida nunca certo!
Que, aonde a gente p6e sua esperanc^a,
Tenha a vida tao pouca seguranc^a!
Onde pode acolher-se hum fraco humano,
Onde terä segura a curla vida?
Que näo se arme e se indigne o Geo sereno
Contra hum bicho da terra täo pequeno?
III.
Doch eben diese doppelte Ueber-
zeugung von der Unsicherheit
des Lebensganges und von der
No th wen digkeit der den Edlen
allein aufrechthaltenden Fort-
dauer des sittlichen Fortschrittes
der Menschheit, diese beiden allge-
meinsten und ewigen Grundlagen des gültigen
Begriffes eines wahren Gottes, als eines
— 8 —
allmächtig, schützenderi und heiligen, die
Welt allweise leitenden Wesens, bannen
die beiden leider oft im Leben und in der
Geschichte der Wissenschaften vortretenden
ungültigen Begriffe des Sckicksals und Zu-
falls durch den Gedanken einer Vorsehung :
Occultos OS juizos de Deos säo!
As gentes väas, que näo os entenderam,
Chamam-lhe fado mäo, fortuna escura,
Sendo so providencia de Deos pura. X. 38.
Wenn nun auch die Rathschlüsse der
Gottheit dem Menschen verhüllt bleiben,
wenn auch der beschränkte menschliche
Geist, was Gott sei, nfe zu fassen im
Stande ist,
O que he Deos, ninguem o enlende ;
Que a tanlo o engenho humano näo se eslende X. 80.
SO ist doch dieser Eine allmächtige Gott
der Herr und Lenker der Welt;
O summo deos, que por segundas
Cousas obra no mundo, tudo manda, X. 85.
Er ist der weise Schöpfer der Welt, ewig,
unbeschränkt,
Ves aqui a grande machina do mundo,
que fabricada
— 9 —
Assi foi do saber alto e profundo,
Que e sem principio e meta limitada. X. 80.
der mit vergeltender Macht die Welt regiert
und Strafe der Sünde folgen lässt, mag
dieselbe von einem Einzelnen oder von
Mehreren begangen worden sein,
Do peccado liveram s e m p r e a pena
Muitos ; que Deos o quiz e permillio ; u. s. w, lU. 140.
IV.
Bei dieser Gelegenheit sei es mir ge-
stattet, des oft vorgebrachten, Camoens
gemachten Vorwurfes zu erwähnen, es
errege einen ästhetischen Anstoss die Vor-
führung heidnischer Götter in einem
Gedichte, in welchem die Helden die
Glaubenssätze der christlichen Religion be-
kennen. Statt mich in eine gründliche
Widerlegung dieser ästhetisch nicht ge-
rechtfertigten Einwendung hier einzulaesen,
erinnere ich nur sCn die im X. G. 82 vor-
kommende Aeusserung des Dichters, der
gemäss die heidnischen Götter nur eitle
— 10 —
Fabeleien, durch blinden Wahn der Sterb-
lichen hervorgerufen sind und der Poesie
nur zur Zierde und Erhöhung des Reizes
dienen, im besten Falle zur Fixirung unserer
Kenntniss der Himmelsgestirne durch die
den letzteren gegebenen Benennungen bei-
tragen.
Eu, Saturno e Jano,
Jupiter, Juno fomos fabulosos
Fingidos de mortal e cego engano.
So para fazer versos deleitosos
Servimos; e se mais o trato humano
Nos pode dar, he so, que o nome nosso
Neslas estrellas poz o engenho vosso.
V.
Wenn die angeführten religiösen Grund-
gedanken einen mächtigen Einfluss üben
mussten auf die Gestaltung jener praktischen
Grundsätze, die Camoens als Principien des
sittlich lobenswerthen Lebens seiner Nation
vorführen trollte, so kann es Niemand, der
ihn auch nur aus einem Conversations-
lexikons- Artikel kennen gelernt hat, be-
— 11 —
fremden, dass das gefühlte Bedürfniss der
Religion, die den Leidenden Trost, den
Verirrten Zurechtweisung , dem Sünder
Besserung und Beruhigung zu verleihen
berufen ist, wenn das Bewusstsein: „Jeder
Mensch bedarf höhere Hilfe", die Thatkraft
eben dieses Mannes nicht lähmte, sondern
vielmehr das Streben nach Vollkommenheit,
nach idealer Grösse intensiv und extensiv
erhöhte. Demnach verlangt er, dass der
Mensch, der etwas Treffliches und Herrliches
vorführen will, sich im Kampfe mit feind-
lichen Mächten gross zeige; denn nur ein
Leben, mit Gefahren und Verlusten ver-
bunden , lasse die Menschen erhaben und
berühmt werden, und dauere es auch nur
kurz, so währe es, sobald es ehrloser Furcht
nicht eriiegt, doch weit über die kurze
Spanne des irdischen Daseins hinaus.
As cousas arduas e lusirosas
Se alcaiKjam com trabalho e fadiga.
Faz as pessoas altas e famosas
A vida, que se perde e que periga;
Que, quando ao medo infame näo se rende,
Entäo, se menos dura, mais se estende. IV. 78.
- 12 - '
VI.
Wie leicht dieses Streben nach einer
bloss formellen Grösse zu falschem Herois-
mus fähren , die edlen Gefühlsrichtungen
ertödten, von dem Wege zur Tugend und
wahren Ehrenhaftigkeit ablenken
und die Stimme des Gewissens ersticken
könne, wusste Camoens genau; ihn lehrte
die Geschichte seiner und aller Zeiten die
Unthaten der fanatischen Ehrsucht, die
damit verbundenen Laster und die ge-
ßihrlichen Folgen des allmäligen noth-
wendigen Verlustes wahrer Nationallehre.
Sein unvertilgbarer Patriotismus Hess ihn
um so mehr über die Bedingungen und
Ursachen wahrer Ehrenhaftigkeit selbst-
ständig nachdenken, als er durch eine sorg-
fältige Erziehung in der Familie mit guten
Grundsätzen und durch den Besuch der
Universität in Coimbra mit vorzüglichen
Kenntnissen ausgestattet, in sich selbst die
festen Grundlagen eines Mannes von Cha-
rakter vorfand, In diesem seinem Charakter,
— 13 —
— nicht etwa blos in seinem Stande, —
in dem vollen, kräftigen, frühzeitig ent-
wickelten Selbstbewusstsein war daher seine
richtige Ansicht begründet, dass die Würde,
der individuelle Werth und die damit zu-
sammenhängende wahre Ehre nicht in einem
blos theoretischen Akte , dem
Wissen, sondern in der Persönlichkeit,
im Wollen und Handeln zu finden ist,
in einer Willensenergie, die irgend ein sitt-
liches Element passiv oder activ zu reahsiren
sucht. Hiermit trennt sich Camoens offen-
bar von der so kra tisch en Tugend und
schliesst sich der platonischen Tugend,
insbesondere seiner dv8ps(a an , welches
Wort am häufigsten durch Tapferkeit,
sachUch aber hier im Sinne Piatons am
passendsten mit „Stärke des sittlichen
Willens", „starker sittlicher Willen" wieder-
gegeben wird. Nach Piaton ist unter dtvSpsia
die harmonische Vereinigung aller besseren
Strebungen Qines edleren Gemüthes nebst der
ihnen eigenen Kraft, dem Schlechten zu
widerstehen und für das erkannte Gute zu
— 14 -
wirken, zu verstehen. Somit ist in dieser
Tugend das sittliche Verhältniss des •^D|i.6<:
d. i. der männlichen und muthigen Ge-
sinnung, welche, wenn sie keinem fremden
Einflüsse, sondern ihrer Natur allein folgt,
stets der Erste zu sein trachtet, und Ruhm
und Ehre liebt, zuT sTct-^Dixta d. i. dem
Inbegriff aller sinnlichen und sogenannten
niederen, unverständigen und unvernünftigen
Strebungen, die den physischen Trieben
entstammen, und zu dem Xoy^c d. i. dem
vernünftigen Denken zusammengefasst. *)
— Der eigentlich persönliche Werth kann
nur durch die vollendete Unterordnung der
die Epithymie und den Thymos bildenden
Strebungen unter die Vernunft errungen
werden.
VII.
In echt platonischem Geiste wendet
sich Camoens daher gegen Diejenigen, welche
den sinnlichen Begierden , die von den
*) All das Gesaj?te folgt aus vielen Stellen, be-
sonders Rep. 429. 430. 409. 441. 442.
— 15 —
stärksten Lustgefühlen begleitet sind, eine
Macht über sieh einräumen und zur Be-
friedigung derselben sich unverständig hin-
reissen lassen; dann aber insbesondere
gegen die wahrhaft knechtende Geldgier,
Geiz oder Habsucht (Cobi?a im engeren
Sinne des Wortes), da alle Lüste und Be-
gierden, diel durch physische Triebe bedingt
sind, von Demjenigen, der über das Geld
verfügen kann, am leichtesten sich befriedigen
lassen und schildert mit besonderer Ent-
rüstung die unheilvollen Folgen der Hab-
sucht, die Freunde und Feldherrn zuweilen
zu Verräthern gemacht, den Verstand und
das Gewissen verblendet, spitzfindig Gesetze
schafft, auslegt und umstösst, sich nicht
scheut, Meineiden Thür und Thor zu öffnen,
ReUgionsdiener zu berücken , Könige zu
Tyrannen zu machen.
Este (dinheiro) rende munidas fortalezas
Faz traidores e falsos os amigös ;
Este a mais nobres faz fazer vilezas
E entrega os capitaes aos inimigos ;
Este deprava äs vezes as sciencias,
Os juizos cegando, e as consciensias.
— 16 —
Este interpreta mais que sublilmente
Os textos, este faz e desfaz leis,
Este causa os peijurios entre a gente
E mil oezes tyrannos toma os Reis.
At6 os que so a Deos Omnipotente
Se dedicam, mil vezes ouvireis,
Que corrompe este encantador e illude,
Mas nao sem cor com tudo de virtude.
VIII.
Eine eben so scharfe Sprache fuhrt er
mit tiefstem Ernste gegen das Entwürdigende
des Ehrgeiz es und der Ruhms u cht,
indem er das Nichtige dieses mit allen
täuschenden Bildern von Volksgunst, Ehre
und Macht sich vielfach beschäftigenden
Verlangens, seine traurigen Folgen in Hin-
sicht auf Seelenruhe und Staatswohlfahrt,
und die doch offenbar vorhandene Ver-
kehrtheit und Begriffsverwirrung in Bezug
auf Kraft und Stärke hervorhebt, bis er
endlich in einen Klageruf über das unge-
messene Drängen des menschlichen Strebens
ausbricht.
— 17 —
IV. 95 . Oh gloria de mandar ! Oh väa cobic^a
Desta vaidade, a quem chamamos fama!
Oh fraudalento gosto, que se ati^a
C'huma aura populär, que honra se chama!
Que castigo tamanho e que juslic^a
Fäzes no peito vao, que muito te ama!
Que mortes, que perigos, que tDrmenta?,
Que ciTieldades nelles exprimentas !
96. Dura inquietaqäo d'alma e da vida,
Fönte de desamparos e adulterios,
Sagaz consumidora conhecida
De fazendas, de reinos e de imperios:
Ghamam-te illustre, chamam-te subida,
Sendo digno de infames vituperios:
Ghamam-te fama e gloria soberana,
Nomes, com quem se o povo nescio engana!
97. A que novos desastres determinas
De levar estes reinos e esta gente?
Que perigos, que mortes Ihe destinas
Debaixo d'algum nome preeminente?
Que promessas de reinos e de minas
D'ouro, que Ihe faräs täo facilmente.
Que famas Ihe prometteräs, que historias?
Que triumphos? Que palmas? Que victorias?
98. tu geraQäo
99. Nesta gostosa vaidade
Tanto enlevas a leve phantasia,
ä bruta crueza e feridade
Puzeste nome esforcjo e valentia,
2
— 18 —
Prezas em tanta quantidade
desprezo da vida, que devia
De ser sempre estimada, pois que ja
Temeo tanto perde-la, quem a da. —
103. Nenhum commettimento alto e nefando
Por fogo, ferro, agua. calma e frio
Deixa intentado a humana gera(joo.
Misera sorle! Estranha condicjao!
IX.
Hat der Dichter auf diese Art den
Fragepunkt von der negativen Seite
gefasst, indem er die sittlichen Nachtheile
der Herrschaft der Epithymie und des
Thymos und die sich daran schliessende
vollkommene Verkennung aller natürlichen
Anschauungen des Lebens beleuchtet, so
gibt er auch eine entschiedene Antwort auf
die Fragen: 1. Was fordert wahre,
dauernde Mannesehre ? 2. Wie gelangt
man zur historischen Unsterblichkeit ?
1. Wer nach Anerkennung seines per-
sönlichen Werthes, nach wahrer Ehre strebt,
wer seinen Namen gefeiert wissen, wer in
- 19 —
der Welt gross werden will, der entraflfe
sich a) schlaffer Trägheit, die den freien
Geist zum Sklaven macht, b) zähme Hab-
sucht, Ehrgeiz und Herrschsucht, diese drei
wildesten Leidenschaften, da ja Geld, eitle
Ehre und blosse Macht nie wahren Werth
den Menschen verleihen ; besser ist's, das
Verdiente nicht zu besitzen, als etwas zu
besitzen, ohne es zu verdienen, c) Durch
Bemühungen um Recht und Gesetz, Fürst
und Vaterland, um Billigkeit und Religion
gross geworden, werden die Menschen den
Reichen, denen sie angehören, allein Grösse
und Macht verschaffen ; durch sorgfaltige,
energische, einsichtsvolle Wahrung
des Rechtes, der Billigkeit und Religion
wird aber auch Verschönerung des Lebens
durch wohlverdiente Reichthümer und Ehren
zu Stande gebracht. Wer auf diese Art
seine beste Einsicht walten und
mit aller Thatkraft das einge-
sehene Rechte und Gute zu
schützen, zu festigen, zu fördern
weiss, — nur dieser ist des Kranzes der
2»
— 20 —
Unsterblichen werth, nur dieser wird den
Heroen der Menschheit beigezählt werden.
Damit wird nichts Unmögliches verlangt;
wer da will, kann immer !
IX. 92. vos, que as famas estimais,
Se quizerdes no mundo ser tamanhos,
Desperlai ja do somno do ocio ignavo,
Que o animo de livre faz escravo.
93. E ponde na cobi<ja hum freio duro,
E na ambi<;;äo lambem, que indignamente
Tomais mil vezes, e no torpe e escuro
Vicio da tyrannia infame e urgente;
Porque essas honras väas, esse ouro puro
Verdadeiro valor nao däo a gente;
Melhor he merece-los, sem os ter,
Que possui-los, sem os merecer.
94. Oa dai na paz as leis iguaes, constanles,
Que aos grandes näo dem o dos pequenos,
Ou vos vesti nas armas rutilantes
Contra a lei dos imigos Sarracenos:
Fareis os reinos grandes e possantes,
E todos tereis mais, e nenhum menos,
Possuireis riquezas merecidas,
Com as honras, que illustram tanto as vidas:
95. E fareis claro o Rei, que tanto amais,
Agora CO 'os conselhos bem cuidados,
Agora CO 'as espadas, que immortais
Vos faräo, como os vossos ja passados:
— 21 —
Impossibilidades nao fa<2ais,
Que, quem quiz, sempre pode; e nu-
merados
Sereis entre os Heroes esclarecidos.
2. Was hier Camoens in einigen Punkten
blos kurz angedeutet, wird VI. 95, 96, 97,
98, 99 ausführlicher besprochen, indem hier
Ringen mit Gefahren , nicht etwa blos
Stammbäume, üppige Schmausereien, reich
wechselnde Vergnügen oder unersättliches
Haschen und Jagen nach Genüssen, nein
— kühnes, kräftiges Ringen nach Anerken-
nung des persönlichen Werthes, Wachsam-
keit, Beständigkeit, Ausdauer, Besonnenheit
und Geistesgegenwart vermag einen ehren-
vollen Rang im Reiche der Geister, vermag
historische Unsterblichkeit zu erringen.
VI. 05. Por meio destes horridos perigos,
Destes trabalhos graves e temores
AlcanQam os, que säo de fama amigos,,
As honras Immortaes e graos maiores:
Näo encostados sempre nos antigos
— 22 —
Troncos, nobres de seus anlecessores,
Näo nes leitos dourados enlre os finos
Animaes de Moscovia zebellinos.
9(). Näo CO 'os manjares novos e exquisitos,
Nao CO 'os passeios molles e ociosos,
Näo CO 'os varios deleites e infinilos,
Que effeminam os peilos generosos,
Näo CO 'os nunca vencidos appetitos,
Que a fortuna tem sempre täo mimosos,
Que näo soffre a nenhum, que o passo müde
Para alguma obra heroica de virtude;
97. Mas com buscar co 'o seu forqoso braqo
As honras, que eile chame proprias suas,
Vigiando, e vestindo o forjado a^o
Soffrendo tempestades e ondas cruas,
Vencendo os torpes frios no regaqo
Do Sul e regioes de abrigo nuas,
Engolindo o coriupto mantimento,
Temperado c' hum arduo soffrimento;
98. E com for(2ar o roslo, que se entia,
A parecer seguro, ledo, inleiro
Para o pelouro ardente, que assovia
E leva a perna ou brago ao companheiro.
Desla arte o peito hum callo honroso cria,
Despiezador das honras e dinheiro,
Das hom'as e dinheiro, que a Ventura
Forjou, e näo virlude justa e dura.
— 23 —
99. Desta arte se esclarece o entendimento,
Que experiencias fazem repousado,
E fica vendo, como de alto assenlo,
O baixo Irato humano embaraqado;
Este, onde tiver forqsL o regimento
Direito e näo de aflfeitos occupado,
Subirä (como deve) a illustre mando
Contra vöntade sua e näo rogando.
Darum unterlasse Niemand die sorg-
fältigste Pflege aller der ihm gewordenen
Anlagen zu wahrhaft grossen, edlen Thaten ;
nur so wird er nie seinen Werth, nie seine
Geltung verlieren.
Porem näo deixe em fim de ter disposto
Ninguem a grandes obras sempre o peito;
Que por esta ou por outra qualquer via
Näo perdera seu pre(jo e sua valia. V. 100.
Damit aber der Geist diese Disposition
oder, wenn man lieber will, diesen durch
sorgfältige Bildung allmälig gewonnenen
Trieb zu grossen, würdigen Thaten kräftige,
hat das Vaterland ganz besonders den
Genius zu begünstigen ; denn Lust und Liebe,
froher Stolz sind Bedingungen der freudigen
- 24 -
Uebernahnie von Anstrengungen und Mühen
bei jeglicher Arbeit, — „Fittige zu grossen
Thaten".
favor, com que niais se accende engenho — X. 145.
Hum ledo orgulho e geral gosto,
Que OS animos levanta de contino,
A ter para trabalhos ledo o rosto. X. 146.
Wer erkennt nicht in der Art der Be-
antwortung der beiden Fragen eine um-
sichtige, genauere, dem Inhalte der Begriffe
angemessene Verbindung der hierher ge-
hörenden, zur Lösung des Problemes noth-
wendigen Gedanken, das charakteristische
Merkmal der Geistesthätigkeit eines Philo-
sophen? Wie einleuchtend werden hier aus
einem für das Leben höchst wichtigen Falle
die Mängel der verschiedenen, von der Ge-
schichte der Philosophie verzeichneten und
aller künftigen Versuche , die praktische
Philosophie in Form einer blossen Tugend-
lehre, oder einer selbstständigen Pflichten-
lehre oder als Güterlehre zu behandeln,
ihre Unzulänglichkeit, irgend eine ethische
— 25 —
Frage gründlich zu beantworten, ihre Ein-
seitigkeit und methodische Verkehrtheit dar-
gethan! —
XL
Wahrer Menschenwerth und die damit
verbundene Achtung, Ehre oder wie man
die ferneren Formen der Erscheinung der
letzteren fernerhin nennen mag, wird nicht
erreicht durch blosse Negation, Mas-
sig un g oder H a 1 1 u n g ; die echte dvSpeCa
Zügelt nicht allein sämmtliche sinnliche
Lüste und Begierden, sondern sie meidet
auch, so sehr sie die Idee der Grösse, oder
besser gesagt, der Vollkommenheit durch
eine constante und consequente Willens-
energie zu realisiren sucht, auf das sorg-
faltigste das Aufbrausen wilder Leiden-
schaft und das unüberlegte , ungestüme
Drängen und Jagen nach Thaten überhaupt
als Thaten (aventures) ; bei Camoens
ist die Ehrenhaftigkeit eines
Mannes, die avSpsta, eine positive
sittliche Grösse; sie vollzieht mit
— 26 •-—
Kraft und Beständigkeit in verständiger
Weise die Gebote der praktischen Einsicht,
der ethischen Ideen, mit andern Worten,
des XoYoc, der Vernunft, des Gewissens.
Wenn ungewöhnlicher Reichthum psy-
chologischer Kenntnisse, genaue Fassung
des WoUens in seinem wesentHchen Unter-
schiede vom blossen Begehren, deutliches
Verständniss der Beziehungen der einzelnen
Seelenzustände zu einander, allseitige Be-
rücksichtigung der Natur des mit theo-
retischen Untersuchungen vielfach ver-
zweigten vorliegenden Problemes den philo-
sophischen Dichter der Lusiaden auf das
vortheilhafteste auszeichnen : so scheint mir
Gamoens doch noch eine höhere Bedeutung
als Philosoph dadurch gewonnen zu haben,
dass er den Inhalt dieser positiven sitt-
lichen Grösse , die ethischen Ideen zu
cxponiren sucht — ein Vorgang, der
in der Geschichte der Philosophie wohl als
ein sehr merkwürdiges Beginnen nicht genug
betont werden kann. Diese Exposition wird
auf dem Wege antithetischer Behandlung
— 27 —
des Gegenstandes versucht. Zuvörderst sind
die Angesehenen, die sogenannten
Grossen der Erde nicht auch' dann die
wahrhaft Grossen, wenn sie des Wohlwollens
gegen ihre Mitmenschen entbehren, nicht
für das öffentliche Wohl sorgen, vom Eigen-
nutz allein geleitet. Recht und Billigkeit mit
Füssen treten und dabei unschuldig er-
scheinen wollen, wenn sie Würden, Aemter,
Rang, Reichthum allein lieben, mit Unwahr-
heit, Heuchelei, Schmeichelei selbst dem
Fürsten begegnen, das Vertrauen, das un-
entbehrliche Band der menschlichen Ge-
sellschaft, immer mehr lockern. Keiner von
diesen liebt, was er soll; ihnen möge
in nicht zu langer Zeit die verdiente gerechte
Züchtigung werden !
IX. 27. E ve do mundo todo os priiicipais,
Que nenhum no bem publico imagina.
Ve nelles, que näo teni amor a mais
Que a si somente, e a quem Philaucia ensina.
Ve, que esses, que frequentam os reais
Paqos, por verdadeira e säa doulrina
Vendem adula(^äo, que mal consente
Mondar se o novo trigo florecenle.
1
— 28 —
IX. 28. V^ que aquelles, que devem a pobreza
Amor divino e ao povo charidade,
Amam somente mandos e riqueza
Simulando justiqa e integridade,
Da fea tyrannia e de aspereza
Fazem direito e vaa severidade:
Leis em favor do Rei se eslabelecen,
As em favor do povo so perccem.
IX. 29. V6 em fim, que ninguem ama o que deve,
Senäo o que somente mal deseja;
Näo quer, que tanto tempo se releve
castigo, que duro e justo seja.
XII.
Solche Männer, welche ihr Privat-
interesse dem öffentlichen Wohle und dem
ihres Königs vorziehen, feindlich gesinnt
dem göttlichen und menschlichen Gesetze,
eben so wie jene, welche mit leidenschaft-
lichem Ehrgeize nach Aemtern ringen, blos
um ohne Zwang ihren Lastern fröhnen zu
können, oder die wetterwendisch wechseln-
den Strömungen der Volksgunst zu Gesetzen
ihrer Handlungen erheben, oder jene, die
charakterlos das ernste, feierliche Gewand
eines zum Wohle des Volkes eingesetzten
~ 29 —
Standes zur Beraubung und Beeinträchtigung
der Gesellschaft benutzen, oder jene, die
nur nach einer Seite hin billig und recht
finden, was sie nach der andern als billig
und recht läugnen, oder die i h r e geringe
Klugheit meisterhaft darauf ver-
wenden, mit räuberischer und karger Hand
den Preis fremder Arbeit herabzudrücken,
verdienten nicht geehrt, nie mit Ruhm ge-
krönt zu werden.
VII. 84. Nem creais, Nimphas, näo, que fama desse
A quem ao bem commum e du seu Rei
Antepuzer seu proprio Interesse,
Tmigo da divina e humana lei;
Nenhum ambicioso, que quizesse
Subir a grandes cargos, cantarei,
So por poder com torpes exercicios
Usar mais largamente de seus vicios.
85. Nenhum, que use de seu poder bastante
Para servir a seu desejo feio,
E que, por comprazer ao vulgo errante,
Se muda em mais figuras que Proteio,
Nem, Gamenas, tambem cuideis, que cante
Quem com babito honeslo e grave veio,
Por contentar ao Rei no officio novo,
A despir e roubar o pobre povo.
86. Nem quem acha, que he justo e que he direito
Guardar-se a lei do Rei severamente,
— 30 —
E nao acha, que he justo e bom respeito.
Que se pague o suor da servil gente,
Nem quem senipre com pouco experto peito
Razoes apprende e cuida, que he ppudente
Por taixar com mäo rapace e escassa
Os trabalhos alheios, que näo passa.
Sie handeln alle gegen die Gebote der
Vernunft, welche den Inhalt des ehren-
werthen Handelns angibt. Dass dieser Inhalt
des Sittlichen nicht in einem einzigen Satze,
nicht in einem Moralprincipe ausgesprochen
werden könne, musste Camoens vollkommen
überzeugt gewesen sein; sonst hätte er
diese Art der Exposition gewiss nicht vor-
genommen, die aber eben so sehr von dem
lebhaftesten und richtigsten, Camoens be-
herrschenden Gefühle der Nähe jener
Musterbilder ethischer Verhältnisse, welche
allem Handeln einen unumstösslichen un-
bedingten Werth geben, ein Zeugniss gibt,
als sie andererseits unwiderleglich nach-
weist, dass das wahrste Gefühl, der feinste,
sittliche Takt, reine Erkenntniss wenn auch
unterstützen , so doch nicht vollkommen
ersetzen kann, und dass ästhetische Unter-
^ 31 —
sucliungen eine eigene methodische Be-
arbeitung der Begriffe fordern, welche mit
sehr grossen, bisher nur von Herbart auf
dem Gebiete der praktischen Philosophie
überwundenen Schwierigkeiten verbunden
ist. Dass aber Camoens von dem lebendigsten
Gefühle der sittlichen Ideen geleitet, diese
Exposition vornahm, wenn es ihm auch
nicht gegönnt war, die vollständige Reihe
der ethischen Ideen als der mustergültigen
Begriffe der einfachen ästhetischen Willens-
verhältnisse nachzuweisen, — wer könnte
dies in Abrede stellen, wenn er bedenkt, dass
der Dichter Jedem , ohne Rücksicht auf
Geburt, Stand, Ansehen, Anerkennung des
Werthes, Ehre, Ruhm verweigert, wenn
er der Vernunft zuwiderhandelt,
welche in der Gesellschaft, sei
sie klein oder gross, Staat oder Kirche,
durch ein geordnetes System
von Institutionen sowohl dem Rechte
und der Billigkeit, als dem Wohlwollen und
wahrer Cultur und echter charaktervoller
idealer Beseelung zu entsprechen gebietet?
— 32 ~
XIII.
Männer, die dem Menseh-
heitsideale gar nicht nachstreben, das-
selbe ignoriren oder einem und dem
andern Musterbilde Hohn sprechen,
können den Dichter, der mit seinen
gottbegeisterten Gesängen das Andenken
an die Grossthaten im Reiche des Guten,
Wahren und Schönen für alle Zeiten würdig
zu erhalten vermag, nicht e n t h u s i a s-
m i r e n ! sie sind des Gesanges nicht
werth, während der Sänger denverdienten
Ruhm Jener, die für Gott und König sich
muthig Gefahren aussetzen, ja ihr Leben
opfern, bis auf die späteste Nachwelt ver-
breitet.
VII. oft» Aquelles sös direi, que avenluraram
Por seu Deos, por seu Rei a amada vida,
Onde, perdendo-a, em fama a dilataram
Täo bem de suas obras merecida.
Und wie süss und wirksam ist die
gerechte, ehrenvolle, ruhmreiche Anerken-
nung unserer Thaten, die uns im Liede ent-
— 83 —
gegentönt ! Der Edle arbeitet den gefeierten
Vorbildern der Menschheit nach , strebt
ihnen gleich zu werden oder muthet sich
sogar zu, dieselben in einer oder der
anderen Beziehung zu übertreffen ! Der
edle Wetteifer, auf sittlichem Gebiete der
Erste zu sein, hat in den meisten Fällen
erhabene Thaten zu Stande gebracht, die
in immer weiteren Kreisen Anerkennung
fanden, und allmälig die Ehre der Nation,
der der Ruhmgekrönte angehört, zu be-
gründen vermochten.
Quao doce he o louvor e a justa gloria
Dos proprios feitos, quando säo soados!
Qual quer nobre trabalha, que em memoria
VenQa ou ignale os grandes ja passados;
As invejas da illustre e alheia historia
Fazem mil vezes feitos sublimados:
Quem valerosas obras exercita,
Louvor alheio muito o esperta e incita. V. 92.
XIV.
Der König selbst, — und hiermit ver-
nehmen wir die sich an das Frühere
naturgemäss anschliessenden allgemeinsten
3
— 34 —
Maximen der Staatskunst des Dichters —
ist desshalb , als erhabener Repräsentant
der Nation, bei dem mächtigen Einflüsse,
den er auf das Volk ausübt,
Hum fraco Rei faz fraca a forte gente. III. 138.
zuvörderst berufen, durch Willenskraft, Be-
sonnenheit und Weisheit sich auszuzeichnen,
und hiedurch sich einerseits zu sittlicher
Grösse zu erheben, andererseits die zur
Wahrung des Rechtes und der übrigen
Menschheitsinteressen verwendete Macht des
von ihm geleiteten tapferen Volkes ruhm-
lichst zu vermehren, und hiermit der Nation
eine weltgebietende Stellung zu verschaflfen
und zu sichern.
Fazei, Senhor, que nunca os admirados
Alemäes, Gallos, Italos e Inglezes
Possam dizer, que säo para mandados
Mais, que para mandar, os Portuguezes. X. 153.
Ein Monarch, der sich dieses Lebens-
ziel gesetzt, bedarf zur Durchfuhrung seiner
besten Absichten für Gerechtigkeit und
allgemeine Wohlfahrt eines nach allen
— 35 —
Seiten wirksamen, allen Bedurfhissen der
Staatsangehörigen Rechnung tragenden,
wohlorganisirten Regierungssystems. Er
vermag nicht Alles allein; die Krone be-
darf gewissenhafter, rechtschaffener
Rät he, redlicher treuer Freunde!
XV.
Der Monarch steht auf so erhabener
Stufe, dass er von entfernten Angelegenheiten
in den meisten Fällen nur eine genauere
Kenntniss erhalten kann, wenn sie ihm ein
treu rathender Freund verschafft. Doch
würde man irre gehen, wenn man meinen
wollte, Camoens habe Gewissenhaftigkeit
und Treue als die einzigen unentbehrlichen
Eigenschaften der Räthe der Krone ange-
sehen wissen wollen; er fügt ausdrücklich
hinzu, dass ein guter Mensch, wie gerecht
und sittlich, unbescholten er auch sei, sich
gewöhnlich in den Geschäften der Welt
nur wenig zurecht findet, da ja zu solchen
Angelegenheiten ein ruhiger, nur Gott er-
gebener Sinn übel zu stimmen pflegt, abge-
— 36 —
sehen davon, dass Redlichheit, die in armer
Kleidung oft bezaubernd wirkt, bei ge-
änderter Tracht sich zuweilen in EHirsucht
verwandelt.
Oh quanto deve o Rei, que bem governa,
De olhar, que os conselheiros ou privados
De consciencia e de virtude interna
E de sincero amor sejam dotados!
Porque como esl6 posto na supema
Cadeira, pode mal dos apartados
Negocios ler noticia mais inteira,
Do que Ihe der a lingua conselheira.
Nem tarn pouco direi, que tome tanio
Em grosso a consciencia limpa e certa,
Que se enleve n' hum pobre e humilde manto
Onde ambiqäo a caso ande encoberta;
E quando hum bom em luda he justo e santo,
Em negocios do mundo pouco acerta;
Que mal com elles poderä ter conta
A quiela innocencia, em so Deos pronta. VIII. 54, 55.
Die Räthe der Krone sollen zugleich
welterfahrene Männer sein, die lange
Monde, lange Jahre sahen; —
Os mais exprimentados levantai-os,
Se com a experiencia lern bondade,
Para vosso conselho; pois que sabem
como, o quando e onde as cousäs cabem. X. 149.
— 37 —
das Wissen des Erfahrenen ist im Leben
besonders wirksam.
Tomai conselhos so d' exprimentados,
Que viram largos annos largos mezes;
Que, postoque em scientes muito cabe,
Mais em particular o experto sabe. X. 152.
So wie bei Camoens in Uebereinstim-
mung mit Plato die Tugend, die avSpsb,
mehr oder weniger als ein Werk der Er-
ziehmig, der Sitten und der gesammten
Kunst wird, da der individuelle Werth der
Person nicht in dem blossen Wissen ruht,
so tritt auch hier, entsprechend der zu
Grunde liegenden AuflFassung des Verhält-
nisses der Theorie zur Praxis, die Schul-
gelehrsamkeit, die Theorie für sich allein,
die blosse Doctrin, hinter die Erfahrung
zurück. — Insbesondere ist dies der Fall
mit der Kriegskunst, die sich ihrer wesent-
lich praktischen Bestimmung gemäss nicht
vollkommen aneignen lässt durch
blosse Phantasiegebilde , durch Träumen,
Grübeln, Gemeinbilder oder blosses Lernen,
sondern nur durch Sehen, Ueben und
Kämpfen.
De PhoriQiäo, philosopho elegante,
Vereis como Annibal escarnecia,
Quando das artes bellicas diante
Delle com larga voz iratava e lia.
A disciplina mUitar prestante
Näo se apprende, Senhor, na phaniasia,
Sonhando, imaginando, ou estudando,
Senäo vendo, iratando-e pelejando. X. 153.
XVI.
Doch liegt hierin durchaus nicht die
Behauptung, dass zur Kriegskunst, zur
Militärdisciplin und zur Beföhigung für
hochwichtige militärische Posten blosse
Praxis, blosse Erfahrung genüge ; ein Feld-
herr, ein Krieger, der Helden nachahmen,
ihnen gleichen will, muss vielmehr regsamen
Geistes im Gedankenflug die gesammte
Lage erfassen, die Gefahren vorhersehen
und zu vermeiden wissen, mit militärischem
Geist und in feiner , verständiger
Weise des Feindes Plan durchkreuzen und
auf Alles gefasst sein.
Tal ha de ser, quem quer co* o dorn de Marie
Imitar os illustres e iguala-los,
{
Voar CO' o pensamento a toda parte
Adivinhar perigos e evita-los;
Com militar engenho e subtil arte
Entender os imigos e engano-los,
Crer tudo em fim; que nunca louvarei
O capitao, que diga: Näo cuidei. VIII. 89.
Und wie mannigfache Kenntnisse, wie
vielseitige Studien sind dem Krieger nach
der eben erwähnten Andeutung unentbehr-
lich ! Ja Camoens wendet sich in bitterem
Unmuth gegen seine nächste Umgebung, die
in dieser Beziehung Wissen und Kunst nicht
zu schätzen wusste, indem er behauptet,
es habe bei Römern, Griechen oder bei
andern Völkern nie Krieger erster Grösse
oder mindestens von Bedeutung ohne Kunst
und Wissen gegeben,
Em fim näo houve forte capitao
Que näo fosse tambem douto e sciente
Da Lacia, Grega ou barbara nagao.
und darum an Themistokles, Scipio, Cäsar,
Alexander erinnert, schliesslich aber den
vollkommen gerechtfertigten allgemein rich-
tenden Satz ausspricht: _
Quem näo sabe a arte, näo na estima. V. 97.
40
XVII.
Zumeist warnt er die Könige und Alle,
die mit königlicher Machtvollkommenheit
ausgestattet sind, vor Willkür und Miss-
brauch der ihnen gewordenen Macht. Ins-
besondere halte der Fürst, der Feldherr
und der siegende Krieger fest an der
Maxime: Wer mit der ihm zutheil-
gewordenen Macht ohne Grund,
aus niedriger Absicht Unrecht
thut, siegt nicht; denn wahrhaft
sie^gen heisst nacktes, strenges
Recht üben.
Quem faz injuria vil e sem raQäo
Com forqas e poder, em que esta posto,
Nao vence; que a victoria verdadeira
He saber ter justi^a nua e inteira. X. 58.
Könige, bei deren willkürlichen Ent-
scheidungen Gerechtigkeit und Wahrheit
schweigen müssen, lassen erhabene Geister
in dunkler Niedrigkeit schmählich dahin-
siechen; auf armen Lagern sterben Die-
jenigen, die dem Fürsten und Gesetze zum
Bollwerke dienten.
— 41 —
Veremos altos peitos
A baixo estado vir, humilde c escuro,
Morrer nos hospitaes, em pobres leitos
Os, que ao Rei c a lei servem de muro!
Isto, fazem os Reis, cuja vontade
Manda mais que a justiqa e que a verdade. X. 23.
Missbrauch der Macht ist aber auch
vorhanden, wenn Fürsten von schmeicheln-
dem äusseren Schein bestochen, gleissneri-
schen Worten und falschen Vorspiegelungen
den Preis, der nur der wackern That ge-
bührt, verleihen ; solche Fürsten werden
habsüchtigen Schmeichlern selbst zur Beute
und verfallen dem richtenden Urtheile der
Geschichte.
Isto fazem os Reis, quando embebidos
N' huma apparencia branda, que os contenta,
Däo os premios, de Aiace merecidos,
'A lingua väa de Ulysses fraudulenta.
Mas vingo-me; que os bens mal reparlidos
Por quem so doces sombras apresenta,
Se näo OS däo a sabios cavalleiros
Däo -OS logo a avarentos lisongeiro^.
Mas tu, de quem ficou tao mal pagado
Hum tal vassallo, o Rei, so nisto inico,
Se näo es para dar-lhe honroso estado,
He eile para dar-te hum reino rico,
- 42 —
Em quanto for o mundo rodeado
Dos Apollineos raios, eu ie fico,
Que eile seje entre a gente illustre e claro
E tu nisto culpado por avaro.
XVIII.
Alle Einzelnen zerstreut vorkommenden
Mahnungen an die Regenten culminiren
aber in dem von Camoens dem König zu-
gerufenen Princip, er solle vor aller Welt
Herr nur ausgezeichneter Vasallen
zu sein trachten, — X. 146.
_ Vos, Rei, que por divino
Conselho estais no regio solido posto,
Olhai que sois (e vede as outras gentes)
Senhor so de vassallos excellentes!
die ihren Lebensberuf darin erkennen, allen
Gefahren ihr Leben preiszugeben,
Olhai, que ledos vao por varias vias,
Quaes rompentes leoes e bravos touros,
Dando os corpos a fomes e vigias,
A ferro, a fogo, a settas, a pelouros,
A quentes regioes, a piagas, frias,
A golpes de Idolatras e de Mouros,
A perigos incognitos do mundo,
A naufragioS) a peixes, ao profundo. X. 147.
— 43 —
stets bereit, in Allem ohne Widerrede zu
dienen, und wenn es noch so viel Ueber-
windung kostete,
Por vös servir a tudo apparelhados,
De vös täo longe sempre obedientes
A quaesquer vossos asperos mandados,
Sem dar resposta, promptos e contentes,
So com saber que säo de vös olbados;
Demonios infemaes, negros e ardentes
Commeiteräo comvosco, e nao duvido,
Que vencedor vos fagam, nao vencido. X. 148.
sobald es gilt, sein Reich zu schirmen und
zu mehren und das Reich Gottes auf Erden
auszubreiten.
Os Cavalleiros tende em muito estima;
Pois com seu sangue intrepido e fervente
Esten dem nao somente a Lei de cima,
Mas Inda vosso imperio preeminente ;
Pois aquelles, que e täo remoto clima
Vos vao servir com passo diligente,
Dous jnimigos vencem, buns os vivos,
E, o que he mais, os trabalhos excessivos. X. 151.
Diese Ritterschaft, die gewaltige Feinde
und furchtbare Gefahren zu bestehen hat,
ist a) besonders zu achten und mit Ehren
auszustatten ; b ) insbesondere wünscht
— 44 -
Camoens die treflflichen Vasallen durch Er-
leichterung bezüghch einiger strenger Ge-
setze, so wie durch huldvolle königliche
Gnaden beglückt und begünstigt zu sehen.
Favorecei-os logo e alegrai-os
Com a presenqa e leda humanidade,
De rigorosas leis desalivai-os,
Que assi se abre o caminho ä sanctidade.
Camoens war hier sichtlich geleitet
von dem Gefühle eines grossen Unterschiedes
in dem Werthe der Gütervertheilung nach
den Ideen der Vollkommenheit und des
Wohlwollens ; Cultur und Gemeinwohl
werden bei dieser oder jener Festsetzung
der Verhältnisse der mehr und weniger
Berechtigten mehr oder weniger gefördert.
Ist doch der Werth des Rechtes schon
nach der Rechtsidee mehr oder weniger
schwankend, sobald es mehr oder weniger
die Gesinnung des Streites hemmt!
XIX.
Wenn nun die Lusiaden nach ihrem
Inhalte und ihrer Bestimmung vorzugsweise
— 45 —
ethische und politische Ueberlegungen be-
züglich des Ritterstandes enthalten, so ist
doch bei der allgemeinen Erörterung der
durch das praktische Bedürfniss aufge-
worfenen Frage nach den Kriterien wahrer
Ehrenhaftigkeit und des damit verbundenen
pflichtmässigen Lebens nicht zu erwarten
gewesen , dass alle anderen Stände in
ethischer oder politischer Beziehung unbe-
rücksichtigt bleiben dürften. Camoens, der
an passenden Stellen der Geistlichkeit er-
wähnt, erkennt die hohe Bedeutung des
geistUchen Standes für die menschliche
Gesellschaft und fordert daher, dass die
Religionsdiener allem Ehrgeiz^ und der Hab-
sucht entsagen, für das weltliche Regiment
beten, durch Unterricht, Busse, Fasten die
Sünder bessern ; der wahre Priester trachtet
nicht nach eitlem Ruhme, nicht nach Geld.
Tenham Religiosos exercicios
De rogarem por vosso regimento,
Com jejuns, disciplina pelos vicios
Gommuns toda ambigao teräo por vento:
Que o boiti religioso verdadeiro
Gloria väa näo pretende, nem dinheiro. X. 150.
— 46 -
Und endlich finden wir einen hoch-
wichtigen Gedanken, bedeutungsvoll für
alle wahfe Staatskunst, in den Worten aus-
gedrückt :
Todos favorecei em seus officios,
Segundo lern das vidas o talentos!
XX.
Allen soll die pflichtmässige Erfüllung
des nach ihrem Talente gewählten Berufes
durch den Schutz der obersten Staatsge-
walt ermöglicht werden ! Eine weitreichende
politische Norm, in ihrer Allgemeinheit ge-
fasst , nach ihren nothwendigen Conse-
quenzen gedeutet! — Hiermit wird nicht
blos etwa Rücksicht auf alle industrielle
und künstlerische Thätigkeit, auf merkan-
tilische oder militärische Bestrebungen ge-
fordert; alles vorhandene Gute
soll erkannt und geschützt
werden! Welche Schwierigkeiten hat die
Regierung schon hierbei zu bekämpfen,
wenn ihr nicht ein allgemein verbreitetes
Wohlwollen als Nationalgesinnung hilft !
— 47 —
Und wenn sie alle nützlichen und würdigen
Bestrebungen fördert, wie wird sie den nur
zu leicht und leider gewöhnlich vorkom-
menden nachtheiligen Folgen der Eifersucht,
dem frivolen Streben^ nach nichtigem Glanz,
einem demoralisirenden Luxus vorbeugen?
Ausbreitung der Einsichten, ein Ineinander-
greifen der Künste und Wissenschaften,
Sprachkenntniss, Bildung, Erziehung werden
desshalb Gegenstand gerechter Fürsorge
eines politischen Organismus sein müssen;
ganz besonders aber wird in dieser Be-
ziehung alle politische Sorgfalt dahin ge-
richtet sein müssen, echtes National-
gefühl zu wecken, zu erhalten.
Dann wird Niemand sagen können, „ein
Volk sei zum Herrschen untauglich, ihm ge-
gezieme, einem andern zu gehorchen**. Wie
dies zu firreichen , wurde von Camoens
zwar nicht ausdrücklich gesagt ; ich glaube
jedoch den verbindenden Gedanken zwischen
den Zeilen gefunden zu haben. —
Soll die Staatskunst diesen grossen
Schatz heben und bewahren, so muss
— 48 —
echtes Selbstgefühl Gemein-
goist desVolkes geworden sein!
Hierzu soll jeder nach Kräften beitragen,
ohne servile Unterschätzung, aber auch ohne
hochmüthig anmassende Ueberschätzung des
gesellschaftlichen Einflusses , den
er durch seine Thätigkeit gewonnen, zu-
gleich den persönlichen Werth des Einzelnen
willig anerkennend. — Und dieses echte
Selbstgefühl hat in Gamoens feste Wurzel
gefasst. Er kennt einerseits den weiten Ab-
stand zwischen seiner Person und des
Königs Majestät, er begreift seine niedrige
Stellung, in der er von dem Könige nicht
einmal im Traume gekannt ist. Doch weiss
er andererseits, dass oft schon dem Munde
Kleiner ein vollkommenes Lob, eine vollen-
dete Werthschätzung erhabener Personen
gelang. Dazu eben fühlt er sich berufen,
berufen durch die noth wendigen, selten
vereinten, in ihm waltenden Be-
dingungen: edles Streben nach Einsicht
mit welterfahrenem Verstand verbunden
und geistige Kraft ; er fühlt sich würdig,
— 49 —
selbst dem Könige gegenüber die hohe Be-
deutung der königlichen Würde nach allen
damit verbundenen Rechten und Pflichten
besingen zu dürfen, sein Arm schwingt ja
die Waffe für ihn, sein leibliches Leben
gehört seinem Herrn, ist dem Könige ge-
weiht ; sein geistiges Dasein, sein Denken
und Fühlen ist der Poesie zugewendet, um
den König zu preisen, des Königs und der
Nation Ruhm zu verkünden und mit echtem
Patriotismus die Erinnerung an die Gross-
thaten der Seinen für alle Zeiten in er-
habenem Gesang zu bewahren. Nicht ge-
meinen Lohn sucht er ; sein einziger Wunsch
ist huldvolle Aufnahme und Billigung seiner
Bestrebungen von Seite des Königs, der
allein einem solchen Ve rd i enste
den gebührenden, wahren Preis
verleihen kann und soll.
Mas eu, que fallo humilde, baixo e rudo,
De Vös näo conhecido, nem sonhado?
Da boca dos pequenos sei com tudo,
Que o louYor sähe äs vezes acabado:
Nem me falta na vida honesto estudo.
Com longa experiencia misturado,
4
- 50 —
Nem engenho, que aqui vereis präsente,
Cousas, que juntas se acham raramente.
Para servir-vos, bra^o ds armas feilo,
Para canlar-vos, menle as Musas dada;
S6 me fallece ser a vös acceito,
De quem virtude deve ser prezada. X. 154. 155.
XXI.
Je aufmerksamer, je öfter man die
Lusiaden liest, — und man kann dieses
herrliche Buch, wahrer Lebensweisheit voll,
mit erneuertem, immer wieder frischem,
vollem Interesse lesen — desto mehr stellt
sich nach einer genauen Erwägung der
Gliederungsweise des Ganzen , mit der
davon unzertrennlichen ästhetischen und
moralischen Würdigung der Charaktere,
Handlungen und Situationen die üeber-
zeugung ein, Camoens habe in einem dem
Gedichte zu Grunde liegenden Bewusstsein
der ethischen Zusammengehörig-
keit von Fürst und Volk, in dem
ihn beseelenden zum Gemeingeist eines
Volkes gewordenen echten moralischen
— 51 —
Selbstgefühl und in der davon un-
trennbaren sittlichen Bildung der
ganzen Nation die stärkste
Bürgschaft des Bestandes der
weltgebietenden Stellung und
der Selbstständigkeit einer
Nation gefunden, deren eigen t-
lichesGlück doch nur, um mit Herbart
zu reden, eine mächtige und wohl-
wollende Regierung, am besten
ein edler F ü r st schafft. Es dürften
aber auch von gar keinem noch so be-
rühmten Politiker je andere Anker der
Staatskunst gefunden werden, als diejenigen,
auf welche Camoens so unverkennbar hin-
weist: „Pflichtgefühl, Aufmerksamkeit für
Gründe, Anerkennung des Nothwendigen,
des Rechten, des Guten, des Schönen, des
Nützlichen/ n
So haben wir denn hier einen Mann
von hoher Begabung, seltenen Kenntnissen,
reicher Erfahrung, starkem sittlichem Wollen
und dem edelsten Patriotismus vor uns,
der seine einzelnen, für sich allein eben
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SO unwirksam, als unbestimmt und schwan-
kend bleibenden Reflexionen über die
Lebensverhältnisse zu einem giltigen, d. i.
dem Wirklichen entsprechenden Systeme
zu vereinigen suchte, mit einem Worte,
wir haben in dem Dichter der
Lusiaden einen Philosophen vor
uns, der nicht blos seiner Nation, son-
dern der gesammten Menschheit zur Ehre
gereicht, einen Philosophen, der, nach
300 Jahren, seines Denkens und Dichtens,
Wissens und Wollens wegen die ehren-
hafteste Anerkennung verdient, heute und
immerdar !
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UNIVERSITY OF CALIFORNIA LIBRAKY